Es ist überliefert, dass sich seit uralten, vorchristlichen Zeiten, Frauen an bestimmten Tagen trafen, um gemeinsam Heilkräuter zu sammeln und diese in einem anschließenden Ritual zu weihen.
Den geweihten Kräutern schrieb man Segensreiches zu. Manche schützten vor Krankheit, andere vor den Unbilden der Natur.
Ungefähr um das Jahr 745 wurde die archaische Zeremonie verboten und als Irrglaube gebrandmarkt.
Jedoch erlebte der alte Volksglaube kurz danach seine Wiedergeburt in der christlichen Religion.
Die Legende berichtet, dass die Apostel, als sie drei Tage nach Marias Tod zu deren Begräbnisstätte kamen, statt der sterbliche Hülle Marias, duftende, von zahlreichen Kräutern umkränzte, Rosen und Lilien vorfanden.
Zur Erinnerung an diesen Tag, an dem die Jungfrau Maria in den Himmel aufgefahren ist, werden in vielen katholischen Gemeinden Würzbündel, Kräuterbündel, oder wie man bei uns im Rheinhessischen sagt, Werzwische gesammelt und in der Kirche geweiht.
Der symbolhafte Ritus wird, wie Urkunden aus dem 13. und 14. Jahrhundert belegen, bereits seit dieser Zeit praktiziert, um die Heilkraft der Pflanzen zum Wohle der Menschheit mit Gottes Hilfe zu aktivieren.
Zum Gedenken an Maria Himmelfahrt, traf ich mich gestern mit einigen Frauen vom KDFB, um gemeinsam Kräuter für unsere Werzwische zu sammeln.
Einige Teilnehmerinnen waren alte «Hasen». Sie wussten, dass 14 Kräuter für einen Werzwisch benötigt werden, und kannten auch die Plätze, wo die heilkräftigen Pflanzen zu finden sind.
Jedes Kräutchen wird einem Nothelfer und damit seinem segensreichen Wirken zugeordnet,
Ich, der absolute Neuling, vertraute mich der sachkundigen Führung der erfahrenden „Kräuterhexen“ an.
Schnell lernte ich, dass mir viele Kräuter unter gänzlich anderen Bezeichnungen bekannt waren. Dass sich viele Pflanzen auf den ersten Blick sehr ähneln und trotzdem völlig verschieden in der Wirkungsweise sind.
Ich, die normalerweise mit offenen Augen durch Feld und Flur wandert, war total überrascht, über die unglaubliche Fülle der verschiedenartigsten Heilpflanzen.
Der Satz: «Für jede Krankheit ist ein Kraut gewachsen», hat seit gestern eine ganz neue Bedeutung für mich.
Der Weg führte, nur von Büschen getrennt, an einer belebten Straße entlang. Dennoch erschien es mir, als seien wir fleißige Sammlerinnen alleine auf der großen weiten Welt.
Die zielgerichtete Suche nach den benötigten Pflanzen, entfaltete eine fast meditative Stimmung in mir. Ewig hätte ich so weitersuchen können.
Viel zu schnell mahnte uns eine Stimme zur Rückkehr ins Pfarrzentrum an.
Dort angekommen, erwartete uns, ein wohlschmeckender Imbiss und eine leckere Himbeerbowle.
Wir saßen noch eine Zeitlang gemütlich beisammen. Als die untergehende Abendsonne die Fassade der Kirche in ein rotgoldenes Licht hüllte, begaben wir uns auf den Heimweg.
Gerne würde ich wissen, warum mir, gerade in diesem Moment, folgender Satz aus dem Matthäusevangelium in den Sinn kam:
«Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, bin ich mitten unter Euch».
© Anne Michel 14-08-2021